Donnerstag, 29. November 2012

"Contenance, Tiger!"

"Du sollst nicht mit dem Essen spielen!"

Schon als Kind wurde es einem eingetrichtert. Händchen ans Rändchen. Und wehe, man wagte es, sich im Stile eines Michel aus Lönneberga tollkühn die Nasenlöcher mit Erbsen vollzustopfen. Ärger gab es dann, verbale Eskalation über dem familiären Esstisch. Nur geschlagen wurde man nie. Die Eltern, von der Emanzipation weichgewaschene Hippies und Pazifisten, besonnen auf der wirtschaftlichen Erfolgswelle der 1980er-Jahre reitend.

Das Resultat sind nun wir. Die Waschlappen-Generation, die (zum Glück, will man sagen!) nie eine kriegerische Auseinandersetzung am eigenen Leib erfahren musste. Die in Zeiten aufwuchs, in denen selbst das unterste Proletariat nie Hunger leiden musste und die mit Krieg nur noch in Verbindung kam, wenn einem bei Aufräumarbeiten auf Opas Dachboden zwischen eingestaubten Schellackplatten von Edith Piaf ein vergilbtes Parteibuch in die Hände fiel.

Willkommen in der Wohlstandsgesellschaft. Es ist die Gesellschaft, in der man Spargel im November reicht, ganz gerne auch Erdbeeren zu Weihnachten. Man erfreut sich endlich an den wesentlichen Dingen des Lebens,  etwa am fein-würzigen Aroma und vollmundigen Bouquet eines südfranzösischen Merlot, der Gaumen und Zunge mit jeden Schluck neckisch umkitzelt. Die heutige Gesellschaft verkrampft bei der emsigen Suche nach kreativen Wortschöpfungen oder spektakulären Adjektiven, nur um damit schon längst dagewesene Umstände zu beschreiben. Blinder Darstellungszwang, nichts als billige Effekthascherei. Der Mensch will sich von der Masse abgeben, er will Künstler sein.
Doch wer zieht überhaupt die inhaltliche Linie zwischen Kunst und Irrsinn? 

"Jeder Mensch ist ein Künstler!", proklamierte einst Joseph Beuys. Und hätte das die Wiener Kunsthochschule im Wintersemester 1907 genauso gesehen, unseren Großeltern wäre der Krieg wohl ebenfalls erspart geblieben.   
Tatsache bleibt, dass sich Kunst in unzähligen Variationen äußern kann und muss. Die eine unterhält, die Andere regt zum Nachdenken an. Und nicht selten polarisiert Kunst die Massen.

Hobby-Knipser Andrew J. Small hat sich für eine gesunde Mischung dieser Komponenten entschieden und benutzt seine gutmütige Bulldogge Tiger, um eine Plattform für seine abstrakte Kunstform zu schaffen.
Die Lebensmittel-Fotografien des Amerikaners zeigen vieles: Scham, Verletzlichkeit, Ungeduld, manchmal auch Freude und subtile Begeisterung. Es ist ein ehrlicher, selbstkritischer Blick in die abgrundtiefe Sinnlosigkeit der amerikanischen Esskultur. Und Joseph Beuys, der Erfinder der Fettecke? Der hätte beim Anblick dieser Fotos vermutlich feuchte Augen bekommen...

Hund mit Apfelmus
Hund mit grünen Erbsen
Hund mit Mikado-Stäbchen

Hund mit Fetakäse
Hund mit Twinkies...Gott hab sie selig.


Mehr von diesen grandiosen Werken fotographischer Kunst findet Ihr unter
foodonmydog.com, viel Spaß beim Runterscrollen!

Dienstag, 27. November 2012

Talk is Cheap - How Social Virality Works

Bad news is good news. Man muss kein PR-Studium hinter sich gebracht haben, um die medienpsychologischen Auswirkungen von schlechter Publicity zu verstehen. Gut, die Blogomotive hat zufällig so ein Studium hinter sich gebracht. Aber das tut an dieser Stelle nichts zur Sache und ist absolut nebensächlich! Gerade Unternehmen, die mehr nach Bekanntheit als nach einem soliden Image streben, provozieren gerne. Das alles mit einem Ziel im Auge: anzuecken. Ein aktuell herausragendes Beispiel ist die Werbekampagne von Redcoon.




Beabsichtigte Niveaulosigkeit stößt auf beabsichtigte Empörung, stößt auf beabsichtigte Reaktion der Menschen, stößt auf beabsichtigten Erfolg der Elektronikklitsche. Dabei müsste man doch mittlerweile die Degeneriertheit der Gesellschaft wenigstens ein bisschen einschätzen können. Sex sells. Wieder so eine Floskel.

YouTube konnte über die Chose nicht besonders Lachen, sperrte das Video für unter 18-Jährige und goss somit feinstes Öl in's Feuer. Abgesehen davon, dass ich vermutlich niemand von solch einer Altersbeschränkung beeindrucken lässt, steigt durch die Zensur vor allem die mediale Wahrnehmung durch die Verbraucher.



An dieser Stelle deshalb viel Respekt an die Agentur Serviceplan für die gelungene Umsetzung der Retourkutsche. Mittlerweile haben Hunderttausende den Clip mit feuchten Augen betrachtet. Der Blogomotive gefällt das. Schließlich wird sie neben der Kohle vor allen Dingen durch niedere Instinkte angetrieben.

Donnerstag, 22. November 2012

Die Blogomotive muss nur eins ...

...sterben.

Und weil das so ein unangenehmes Thema ist, verpackt man es am besten in Form freundlich dreinblickender Cartoon-Figuren. Denn sehr viel anschaulicher als Metro es inszeniertlässt sich das wohl kaum bewerkstelligen. Die Blogomotive möchte jene ernste Botschaft lautstark verbreiten. Denn jährlich stürzen sich unzählige Themen vor ihr in den tot. Doch mit diesem Schicksal ist man zum Glück nicht alleine.

Dumb ways to die ist die kreative Antwort auf die tausenden Menschen, die jedes Jahr unter Zügen begraben werden. Ob dies gewollt oder ungewollt geschieht, sei an dieser Stelle mal dahingestellt. Nun viel Spaß mit einem garantierten Ohrwurm! So muss Aufklärung praktiziert werden. Die Blogomotive fordert an dieser Stelle das gleiche Vorgehen bei jeglichen wichtigen Themen. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Und besser als die altgedienten Vorsicht, Jutta-Kampagne ist es allemal ...


Donnerstag, 15. November 2012

Johann Lafer meets Odd Future



"A friend from Arizona texted me a couple weeks ago and told me to listen to him on YouTube. And since then I've done that thing where you watch literally every YouTube video about a person, whether it be a song or just some dinky, terribly produced interview." 
Cord Jefferson, music critique


Albanien ist für viele eher ein unbeschriebenes Blatt. Ein weißer Punkt auf der Landkarte, irgendwo zwischen Kroatien und Griechenland. Für seine kulturellen Beiträge ist der kleine Balkanstaat ebenso wenig bekannt.
Und doch passt die altbewährte Floskel von den Ausnahmen, die die Regel bestätigen. SNL-Legende und Blues Brother John Belushi hatte hier seine Wurzeln, bevor Anfang der 80er seine Pumpe versagte - ein Resultat mehrerer Koka-Lines, so dick wie Cevapcici.

30 Jahre später greifen Arian Asllanis rosafarbene Wurstfinger zum Stift, um ihn mit einer einzigen Unterschrift $1.500.000 reicher zu machen. Es ist der 13. August 2012, Action Bronson hat einen Vertrag beim Warner Brothers Sublabel VICE Records unterzeichnet und greift als nächster US-Albaner nach den Sternen der amerikanischen Unterhaltungsindustrie.


"I got the voice to make the ladies moist /
and soon I'll have this Papi hopping out the hazy Royce"

Nur drei Jahre zuvor sah das Leben von Bronson noch alles andere als rosig aus. Der stark untersetzte Sohn einer Gastronomenfamilie aus Flushing, Queens war während seiner Tätigkeit in einem auf mediterrane Küche spezialisierten Restaurant ausgerutscht und hatte sich ordentlich die tätowierten Haxen verzwirbelt. Ans Bett eines New Yorker Krankenhauses gebunden, wagte er einen vollkommenen Neuanfang. Seine Freunde aus der Küche und dem Viertel hatten bereits semi-professionelle Erfahrungen mit dem Rap-Geschäft gesammelt und Action wollte es ihnen gleichtun. Die Basics hatte er sich jedoch nicht nur von seinen Kumpels abgeschaut, sondern schon als kleiner Junge Big Daddy Kane auf den Headphones gepumpt und brav die HipHop-Schule besucht. Das Feilen an der Raptechnik übte er nun bei der Physio oder während der unzähligen, dichten Sessions in einem der Home Studios seiner Kumpels.


"Yes, I'm living gnarly, the 40 ounce of barley /
open up cigars and fill them with a bunch of Marley"

Zu dieser Zeit hatte er lediglich durch die amüsante und kurzweilige Aufarbeitung seiner Kochkünste ("Action In The Kitchen") lokale Aufmerksamkeit erregt. Nur wenige Monate später klopfte bereits die GQ-Redaktion an seiner Tür , um ihn nach seinen New Yorker Lieblingsrestaurants zu fragen. Zu begründen war dies allerdings mit der Tatsache, dass aus seinem Traum vom zweiten Standbein als Musiker mittlerweile Realität geworden war.
Dass er innerhalb kürzester Zeit vom passionierten Vollzeit-Chefkoch und Hobby-Rapper zu einem der gefragtesten Underground-Größen heranwachsen würde, hätte wohl keiner gedacht, am wenigsten er selbst. Dabei ist "Bronsolino", wie ihn seine Fans oft titulieren, nur er selbst geblieben. Und wird dafür ebenso oft müde belächelt wie hemmungslos gefeiert. Zugegeben, es ist ein Anblick, an den man sich erst einmal gewöhnen muss. Action misst 1,70m und bringt dabei nach eignen Angaben stolze 140 Kilo auf die Waage. Sein feuerroter Bart und die ständig auf Halbmast hängenden Augenlider fallen dabei gar nicht mehr auf.

"Same person on camera or when the camera off /
hash straight from the desert, can knock a camel off"

Wenn er schließlich seinen Mund öffnet und die Wörter wie ein Wasserfall aus ihm heraussprudeln, verstummt auch der letzte Kritiker mit Hornbrille. Denn der erste Eindruck trügt wie so oft - wer Bronson als White Trash abzustempeln versucht, liegt vollkommen daneben. Aufmerksam hat der "beautiful rap singer" in den vergangenen 28 Jahren das Leben und seine Umwelt beobachtet und bringt nun alles zu Papier. So preisen ihn die Musikmedien für den nicht enden wollenden Schwall popkultureller Vergleiche in seinen Texten. Diese drehen sich einmal um die Olympischen Winterspiele von Nagano 1998, ein andermal um den Vegas-Magnaten Steve Wynn oder einen jüdischen Amateur-Wrestler aus den 80ern namens Barry Horrowitz. Dabei reiht Action Doppelreim an Doppelreim und verschlingt umstehende Rapper so mühelos als wären sie Balkan-Platten mit ordentlich Ajvar und Zwiebeln.
Actions Mikrokosmos dreht sich um Frauen, Drogen, Mode und - in allererster Linie - ums Fressen. Der Grund seines Erfolges liegt dennoch nicht darin, was er in seinen Texten erzählt, sondern vielmehr wie er es tut. Seine Gedanken sind anstößig, satirisch, und nicht selten vollkommen absurd. Action lebt in seiner eigenen Welt und gewährte seiner mit jedem Tag wachsenden Fangemeinde nun schon auf fünf Releases exklusiven Eintritt in das Innenleben des vielleicht besten Indie-Rappers seit Talib Kweli.


"It's '95, younger Bronson on the fast track /
to blast gat, now I'm looking past that /
I want a cash stack higher than the NASDAQ"

Mit seinen Reimen malt Action Bilder in den Köpfen seiner Hörerschaft wie es früher nur ein gewisser Christopher Wallace zu tun vermochte.
Vielleicht liegt es also an seinem Charisma, die augenscheinlichen Parallelen zu Biggie Smalls  - nur in weiß und mit kleinen, wässerig-blau schimmernden Augen. Vielleicht aber auch an seiner konsequenten Scheißegal-Haltung gegenüber allen Konventionen der Musikbranche, an der selbst ein hoch dotierter Majordeal in Zukunft nichts ändern dürfte. Warum sollte man auch Samples von Phil Collins oder Dean Martin verzichten? Warum bei Konzerten auf der Bühne bleiben? Warum keinen Festival-Freestyle vom Dixi-Klo aus kicken?

Mittlerweile herrschen bei Auftritten des bärtigen MCs Zustände, wie sie in jüngster Vergangenheit nur von der Posse um Tyler, Earl und Hodgy heraufbeschworen werden konnte. Auf gut deutsch, die Leute rasten völlig aus.

"I'm on the art and the food scene /
fuck rap, laying back, eating poutine"

Bronson, derzeit noch Support Act von Cypress Hill auf deren US-Tournee, wird im Dezember erneut seine europäische Anhängerschaft beehren und spielt im nunmehr dritten Anlauf endlich auch auf deutschem Boden. Die Blogomotive muss sich noch ein wenig länger gedulden und hat sich eines der letzten Tickets für den Januar-Gig in Sydney sichern können.

Seit heute steht Actions neuestes Mixtape Rare Chandliers als Free Download auf den Datpiff-Servern bereit. Auf 14 von The Alchemist produzierten Songs vereint er New York und Los Angeles zu einem gewohnt unterhaltsamen Feuerwerk aus Beats & Rhymes. 

OUT NOW - CLICK HERE TO DOWNLOAD


Auch nach gerade einmal zwei Jahren im Business kann Bronson auf ein enormes musikalisches Œuvre zurückblicken, so eindrucksvoll wie die Statur des Mannes, der dahinter steckt. Wer seinen Aufstieg bisher vollkommen verschlafen haben sollte, dem haben wir deshalb noch ein kleines Schmankerl vorbereitet. 


Für BRONSOLINI'S FINEST haben wir nur die saftigsten Rosinen aus Action Bronsons Rap-Kuchen gepickt und servieren Euch hiermit unser zweites (inoffizielles) Mixtape, noch offenwarm aus dem Blogomotiven-Depot.
18 Tracks zum hemmungslosen mitrappen, tanzen, feiern und trinken. Sichert Euch das Ding hier und gleich via Dropbox.

Einfach eine kurze Mail an reinickeblog@gmail.com und ihr seid mit von der Partie. So einfach ist das.

Dienstag, 13. November 2012

Das könnt ihr uns ruhig glauben, wir stehen immerhin vor einem Bücherregal.

Auch die Blogomotive hat einen Bildungsauftrag. Und weil sie diesem nicht einmal annähernd nachkommt, nutzt sie frech das Material anderer öffentlich-rechtlichen Leidensgenossen. Solange die GEMA-Reform noch nicht in Kraft getreten ist, muss man sich eben noch am geistigen Eigentum der Anderen laben.

Die Kollegen vom SWR liefern eines der besten Satirevideos seit langem. Zu verdanken haben Sie dies nicht zuletzt Pierre  M. Krause. Der Mann, der zeigt, dass man beim BBC auch Gutes gibt. Jimmy Savile verpasste dem Sender zuletzt etwas viel schlechte Publicity. Das nun folgende Video ist von einem britischen Sketch inspiriert und entspricht von der ersten bis zur letzten Sekunde der Wahrheit. Zumindest was den stereotypen Ablauf von Reportagen in diesem Land angeht. Und das ganze auch noch im schönen Stuttgart.

Köööööstlich!