Der 16. März 2012 - Ganz Stuttgart ist in GRÜN gehüllt. |
Marsimoto steht auf der Bühne des LKA. Seine Ankunft zelebriert er heroisch,
mit einer fast schon hypnotisch anmutenden Version seines Albumopeners „Grüner
Samt“. Seinen Zuhörern ist er damit von Beginn an grün. In den nächsten zwei Stunden
wird er mehrmals tief in die Oldschool-Kiste greifen und unterlegt so unter
Anderem seinen Untergrund-Klassiker „Chillen“ mit wabernden Cypress Hill-Beats
oder besinnt sich mit einem entspannten Halloziehnation-Medley auf seine
Künstlerwurzeln. Unterstützt wird er dabei von seinen Berliner Haus-DJs
Nobody’s Face und Kid Simius. Letzterer gibt der Marsi-Performance seinen ganz
persönlichen Feinschliff, während er die für Marsimoto maßgeschneiderten
Dubstep-Beats geradezu ekstatisch abfeiert.
Im Vorfeld des Main Acts hatte der sympathisch behaarte Spanier bereits etliche
Epilepsieanfälle beim smaragdgrünen Publikum verursacht. Einigen von Euch
dürften „Die letzten 20 Sekunden“ aus den Marsi-Shows der vergangenen Jahre ein
Begriff sein. Auch jenes emotionale Highlight geht auf das Konto des jungen
Iberers.
Nach einer
Dreiviertelstunde hat es sich kurz ausgezappelt. Jemand anderes, jemand
grüneres, übernimmt von nun an das Programm-Zepter. Nicht minder energiegeladen
als der Vorgänger startet Marsi der Zigeuner in die Show. Als die ersten
Synthie-und-Roma-Beat-Gerüste die traditionsreichen Hallen des LKA beschallen, schnellen
unzählige Smartphones in die Höhe.
Es ist das Resultat einer nicht aufzuhaltenden Konzert-Dokumentations-Evolution.
Diese Trottel. Warum ein Konzert live genießen, wenn man es im Anschluss auch
zu Hause auf seinem 4-Zoll-Display in herausragender Monoqualität anschauen
kann. Das Schmunzeln über diese, mit Verlaub „deepe“ Erkenntnis, wird abgelöst
von einem tiefen Seufzen, als wir selbst den Kamera-Button auf dem
iPhone-Homescreen drücken.
Kid Simius’ kommt immer wieder zurück und wird Teil der Show. So auch im Crossover-Paradestück „Alice im WLAN-Land“ - eine post-moderne Bestätigung der Überwachungsstaats-Vision aus Orwells „1984“. Gänsehaut und zwei grüne Beck’s. Die Generation Flatrate/Porno/Praktikum feiert weiter.
Marten Laciny a.k.a. Marteria a.k.a. Marsimoto muss sich vor niemandem verstecken. Gerade weil ein Schmetterling nur eine Raupe mit Flügeln ist und er Trick 17 bereits 18 mal gespielt hat. Marsimoto spielt lange. Nach eigenen Angaben 32 Songs. Damit sich auch ja keiner auf dem Heimweg über sein Set auskotzt. Auch nicht die, welche sich auf die ruhigeren Nummern gefreut hatten. Als die ersten Takte von „Ich Tarzan, Du Jane“ erklingen, schnellen die Feuerzeuge in die Höhe. Man liegt sich in den Armen. Fukushima, Ozonloch, Spritpreise – jetzt ist alles egal. Die Besucher schwimmen ganz oben auf einer Euphoriewelle, die erst nach Beendigung des Konzerts langsam bricht.
Beim Verlassen des LKA blicken wir in unzählige Gesichter voller Freude, die Augen glänzend wie bei Bambi auf Heroin. Bereit noch mehr Menschen mit dem Marsi-Virus anzufixen.
Mal sehen, wie weit sich die Epidemie bis zu den frisch wiederbelebten Hip Hop Open in Stuttgart ausbreitet. Dann wird Rostocks bekanntester Rap-Barde wieder zum Mikrofon greifen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen